Autorin:      Kathrin Keßler

      Dipl.-Betriebswirtin I M.A. Marketing & Sales

      Semikolon Management GmbH

Der Schritt in neue internationale Märkte ist eine der größten Wachstumschancen – aber nur, wenn die Eintrittsstrategie zur eigenen Unternehmensrealität passt. Dieser Artikel zeigt, wie Unternehmen mithilfe eines strukturierten Frameworks die passende Strategie entwickeln, typische Risiken vermeiden und internationale Potenziale systematisch erschließen. Mit Beispielen aus dem Mittelstand und klaren Handlungsempfehlungen.

Die wichtigsten Fragen:

Welcher Weg ist der richtige?
Welche strategischen Optionen gibt es?
Welche Kriterien sind entscheidend?

Viele Wege, aber nur ein passender

Ob Export, Joint Venture oder eigene Niederlassung: Es gibt zahlreiche Wege, internationale Märkte zu erschließen. Deutsche Unternehmen nutzen sie vielfältig – vom ersten Test über Distributoren bis hin zur globalen Produktionsarchitektur. Doch der Erfolg hängt weniger vom Eintrittsmodell als von der Passung zum eigenen Unternehmen ab: zur Marktchance, zur Organisation, zu den verfügbaren Ressourcen.

Eine Markteintrittsstrategie ist dann wirkungsvoll, wenn sie stringent, faktenbasiert und anschlussfähig an die Unternehmensrealität ist. Genau hier scheitern viele Mittelständler: Sie wählen ein Modell, bevor sie ihre strategische Ausgangslage methodisch analysiert haben.

Damit Sie diesen Fehler vermeiden, zeigt dieser Beitrag die wichtigsten Eintrittsoptionen, zentrale Auswahlkriterien und praxisnahe Beispiele – ergänzt um methodisches Rüstzeug, das eine professionelle Entscheidung ermöglicht.

Strategische Optionen im Überblick

Unternehmen stehen vier grundsätzliche Eintrittsformen zur Verfügung, die sich entlang von zwei Dimensionen unterscheiden: (1) Grad der Kontrolle und (2) erforderlicher Ressourceneinsatz. 

Export (direkt oder indirekt) 

Der klassische Einstieg mit meist geringem Risiko. Der indirekte Export sieht den Vertrieb über Händler oder Agenten im Heimatmarkt vor. Für Ihr Unternehmen entsteht dadurch ein minimaler Organisationsaufwand. Soll eine direkte Kundenbeziehung im Zielmarkt aufgebaut werden, so zeigt sich der direkte Export als geeignete Form. Der direkte Export erfordert mehr Steuerung, ermöglicht jedoch im Gegenzug mehr Kontrolle und größeren Einfluss auf Preis, Marke und Service.

Besonders geeignet für Unternehmen in frühen Reifephasen sowie für Märkte mit mittlerer Komplexität: Direkter Export.

Kooperationen & Distributoren

Hier sind es lokale Partner, die den Marktzugang, den Kundenkontakt und oftmals auch die Erbringung von Serviceleistungen übernehmen. Mit einem lokalen Partner an Ihrer Seite können Sie schnell skalieren, minimieren Risiken aufgrund von kulturellen Unterschieden und die Investitionen bleiben überschaubar.

Typisch für Firmen, die Geschwindigkeit benötigen, aber ihr Risiko begrenzen wollen.

Joint Ventures & strategische Allianzen

Es erfolgt die gemeinsame Marktbearbeitung mit einem lokalen Unternehmen vor Ort. Dies bringt höhere Kontrolle und teilt zugleich das Risiko.

Ideal für Märkte, in denen lokales Wissen unverzichtbar ist oder regulatorische Anforderungen eine lokale Beteiligung nötig machen.

Greenfield-Investments oder Übernahmen

Mit dem Aufbau einer eigenen Tochtergesellschaft (Greenfield-Investments) oder der Übernahme eines lokalen Unternehmens (Akquisition) als „Shortcut“ zu Kunden, Personal und Infrastruktur wird die maximale Kontrolle über die Geschäfte sichergestellt. Dem entgegen stehen hohe Investitionen.

Akquisition: Sinnvoll, wenn Marktpotenzial hoch ist und das Unternehmen genügend Management-Kapazität besitzt.

Kriterien zur Auswahl – eine analytische Vorgehensweise

Als Strategieberatung empfehlen wir bei Markteintrittsentscheidungen strukturierte Bewertungsmodelle. Ein bewährter Ansatz ist das Entry Fit Framework, das drei Ebenen kombiniert:

Marktattraktivität

Bewertung anhand von Faktoren wie

  • Marktgröße, Wachstum und Wettbewerbssituation
  • Kundenzugang & Preissensitivität
  • Politische Stabilität, regulatorische Dynamik

Unternehmenskompetenz

Bewertung anhand ausgewählter Dimensionen, z.B.

  • Organisation & Finanzen
  • Kultur & Flexibilität
  • Positionierung & Vermarktungsfähigkeit

Details zur „International Growth Readiness“ können Sie in unserem letzten Artikel nachlesen

Regulatorische Komplexität 

Hier entscheidet sich oft der Markterfolg. Zu prüfen sind:

  • Zolltarife & Abwicklungsaufwand
  • Exportkontrollvorgaben
  • Produktzulassungen & Normen

Die drei Dimensionen ergeben ein Scoring-Modell, das klar zeigt, welche Eintrittsformen realistisch und strategisch sinnvoll sind.

Praxisbeispiele aus dem Mittelstand

Maschinenbauer Elektronikhersteller

Ein mittelständischer Maschinenbauer wollte in Südostasien wachsen. Die interne Readiness war moderat, die Marktattraktivität hoch. Die Analyse nach Framework ergab:

  • keine ausreichenden Ressourcen für eine sofortige Niederlassung
  • hohe regulatorische Komplexität

Man entschied sich für:

  1. Indirekten Export
  2. Strategischen Distributor
  3. Später: Joint Venture mit diesem Distributor

Ergebnis: Stabiler Marktzugang, geringe Fehlinvestitionen, steigende Marktanteile – und eine lernende Organisation.

Framework dahinter: „Phased Market Entry“ – ein bewährter Ansatz, den wir in vielen mittelständischen Projekten anwenden.

Ein norddeutscher Elektronikhersteller gründete sofort eine US-Tochtergesellschaft – ohne ausreichende Analyse der Marktzugänge und Zulassungen.

Folgen:

  • Verzögerung wegen Produktzertifikaten
  • Hohe Fixkosten ohne frühe Umsätze
  • Preisnachteil durch falsches Zollcoding
  • Fehlende Marktdurchdringung

Die spätere Neubewertung ergab:

  • Attraktivität hoch, Readiness niedrig
  • Besser geeignet: Distributor-First-Strategie

Ein klassisches Beispiel dafür, dass der schnelle Markteintritt selten die beste Wahl ist, wenn die Readiness nicht ausreichend vorhanden ist.

 

Typische Stolperfallen

  • „One size fits all“ – Strategien anderer Unternehmen unreflektiert zu kopieren
    → Gefahr der Fehlallokation von Ressourcen, branchenspezifische Besonderheiten werden übersehen,
    verzögerte Marktdurchdringung
  • Unterschätzung rechtlicher Rahmenbedingungen
    → denken Sie an Produktzulassungen, Zertifikate, Zollfreigaben und Compliance-Konformität
  • Zu geringe Management-Kapazität im Heimatmarkt
    → Risiko sinkender Qualität in bestehenden Märkten; durch Überlastung von Schlüsselpersonen
    werden operative statt strategischer Entscheidungen getroffen
  • Fehlende Integration lokaler Partner
    → Missverständnisse über Zielgruppen und geringe Anpassungsfähigkeit an lokale Erwartungen,
    was zu Umsatzeinbußen führen kann
  • Überambitionierte Zeitpläne
    → die Organisation kann das geforderte Tempo nicht liefern, es kommt zu Überforderung,
    Qualitätsverlust, höheren Investitionen und letztlich Fehlentscheidungen aufgrund unzureichender
    Marktinformationen

Fazit: Eine gute Strategie ist die beste Risikoversicherung

Der Weg ins Ausland ist keine Frage des Bauchgefühls, sondern eine strukturierte Entscheidungsaufgabe.
Wer die relevanten Faktoren systematisch bewertet, reduziert Risiken und schafft die Basis für nachhaltigen Erfolg.

Die Kombination aus

  • klarer Strategieentwicklung und
  • operativer Exzellenz im Bereich Zoll & Exportkontrolle

ermöglicht Unternehmen, Marktchancen auszuschöpfen, regulatorische Risiken zu beherrschen
und ein tragfähiges internationalisiertes Geschäftsmodell aufzubauen.

Markteintritt ist kein Selbstläufer – aber mit der richtigen Vorgehensweise eine der größten
Wachstumschancen unserer Zeit. 

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