Haben Sie eine zollrechtliche Frage, die Sie schon immer einmal stellen wollten? Dann haben wir ab sofort etwas für Sie! In unserer neuen Rubrik „Frag den Anwalt“ beantwortet Rechtsanwalt Torsten Kühl Ihre Fragen und gibt wichtige Tipps für den Unternehmensalltag im rechtlichen Dschungel der Zoll-Welt. Senden Sie uns gern Ihre Fragen an fragdenanwalt@zoba.de
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass im Rahmen dieser Rubrik keine Rechtsberatung stattfindet.
Das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld
Werden zollrechtliche Pflichtverstöße bei der Einfuhr von Nicht-Unionswaren begangen, kommt es in der Regel zur Entstehung einer Zollschuld. Werden etwa Nicht-Unionswaren aus der zollamtlichen Überwachung entzogen oder bei der Einfuhr nicht gestellt, dann entsteht eine Einfuhrzollschuld nach Unionszollrecht.
Regelmäßig setzt die Zollverwaltung zugleich auch einen Einfuhrumsatzsteuerbetrag fest. Oft fehlt es allerdings an einer Begründung, weshalb die Einfuhrumsatzsteuer entstanden sein soll. Auch eine Rechtsgrundlage wird häufig nicht angegeben oder es findet sich lediglich der sehr pauschale Verweis, dass die Vorschriften für Zölle gem. § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelten würden.
Eine derartige Begründungsmüdigkeit offenbart allerdings ein mittlerweile überholtes Verständnis zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer. Denn die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) belegt einmal mehr, dass die Einfuhrumsatzsteuerschuld allein nach den Voraussetzungen des Umsatzsteuerrechts entsteht. Ein Automatismus dahingehend, dass mit der Zollschuldentstehung zwingend eine Einfuhrumsatzsteuerschuld einhergeht, besteht gerade nicht. Daher sollte die Zollverwaltung stets auch das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld begründen. Ein Begründungmangel ist im Ergebnis jedoch unerheblich, weil er nicht zur Rechtswidrigkeit der Abgabenfestsetzung führt und die Begründung im Rahmen eines Einspruchsverfahrens nachgeholt werden kann.
Wurde der zollrechtliche Pflichtenverstoß in Deutschland begangen und verbleibt die betreffende Nicht-Unionsware in Deutschland, liegt in der Regel auch eine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor, so dass neben der Zollschuld eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden ist.
Fallen jedoch Ort des zollrechtlichen Pflichtenverstoßes und der Ort des Verbleibs der Nicht-Unionswaren derart auseinander, dass sie in zwei unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten liegen, dann kommt einer Unterscheidung der Entstehungsvoraussetzungen von Zollschuld und Einfuhrumsatzsteuerschuld maßgebliche Bedeutung zu. Denn in diesen Situationen ist die EuGH-Rechtsprechung zu beachten. Eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht dann nicht zwingend auch am Ort, d.h. in dem Mitgliedstaat, der Zollschuldentstehung.
Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung
Für die Situationen, in denen z.B. in Deutschland eine Einfuhrzollschuld wegen Verstoßes gegen zollrechtliche Pflichten entstanden ist, die betreffende Nicht-Unionsware jedoch in einen anderen EU-Mitgliedstaat befördert wurde und dort auch verblieb, ist die EuGH-Rechtsprechung relevant. Denn wenn die Nicht-Unionsware nachweislich in eben diesen zweiten, anderen EU-Mitgliedstaat befördert und dort dem Verbrauch zugeführt wurde, dann geht sie erst dort in den Wirtschaftskreislauf der Union ein. Nach dem EuGH entsteht in diesen Fällen erst dort die Einfuhrumsatzsteuer.
Der Knackpunkt ist allerdings, dass zunächst die Vermutung besteht, dass die Nicht-Unionswaren am Ort der zollrechtlichen Pflichtverletzung in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen sind. Im Beispielsfall besteht im ersten Prüfschritt also die Vermutung, dass die Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland entstanden ist. Laut EuGH wird diese Vermutungswirkung jedoch widerlegt, wenn die Ware in einem anderen Mitgliedstaat in den Wirtschaftskreislauf eingegangen ist. Für diesen entlastenden Tatsachenvortrag ist jedoch der Steuerschuldner verantwortlich.
Dies bedeutet, dass die Zollverwaltung stets die Vermutungswirkung der Steuerentstehung für sich beanspruchen kann. Nur wenn ihr bereits aus dem selbst ermittelten Sachverhalt bekannt ist, dass der Eingang in den Wirtschaftskreislauf nachweislich nicht in Deutschland erfolgte, dürfte sie schon keine Einfuhrumsatzsteuer festsetzen. Andernfalls muss der Zoll- und Steuerschuldner gegen den Einfuhrabgabenbescheid Einspruch einlegen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens können dann die steuerentlastenden Tatsachen, wie etwa der Eingang in den Wirtschaftskreislauf in einem anderen Mitgliedstaat oder auch die Wiederausfuhr, vorgetragen werden (zu Rechtsbehelfsverfahren s.a. ).
Das Recht zum Vorsteuerabzug
Für das Recht auf Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer gilt § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG. Demnach kann ein Unternehmer die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Aus welchen Gründen die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist, ist dabei nicht entscheidend. Es ist also für das Vorsteuerabzugsrecht zunächst einmal unerheblich, dass eine Einfuhrumsatzsteuer im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften entsteht.
Entscheidend ist vielmehr, ob die Gegenstände für das Unternehmen, welches den Vorsteuerabzug geltend machen will, eingeführt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Gegenstände in den im Inland gelegenen Unternehmensbereich eingegliedert werden, d.h. in Deutschland, um sie zur Ausführung von Ausgangsumsätzen zu nutzen.
Dementsprechend hat der EuGH etwa entscheiden, dass Zolllagerhalter die gegen sie festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden, nicht als Vorsteuer geltend machen können. Dies gilt auch für sonstige Logistikdienstleister, sofern nicht z.B. Fahrzeuge oder sonstige Gegenstände des eigenen Unternehmensbereichs betroffen ist.
Aber auch, wenn ein Unternehmen irrtümlich unbestellte Ware angeliefert bekommt und diese abweist, wäre es nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Denn die unaufgefordert oder irrtümlich angelieferte und wieder zurückgesandte Ware soll gerade nicht für Ausgangsumsätze dieses Unternehmens genutzt werden.
Wenn die Einfuhrumsatzsteuer wegen zollrechtlicher Verstöße festgesetzt wurde, lohnt sich eine Prüfung der Rechtmäßigkeit insbesondere dann, wenn der Steuerschuldner kein Recht zum Vorsteuerabzug hat. Dies ist insbesondere bei Logistikdienstleistern der Fall. Aber auch bei Handelsunternehmen kann es Konstellationen geben, in denen kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht.
Bei Beratungsbedarf steht Ihnen Rechtsanwalt Torsten Kühl gerne zur Verfügung:
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